Lao Tse
Vor zweieinhalb Jahrtausenden, zur gleichen Zeit, als Gautama Buddha und Jain Mahavira in Indien ihre Frohbotschaft von der Leidenthaftung verkündeten und Pythagoras in Griechenland den Innenweg zum Göttlichen offenbarte, lebte Li=Örl Lao=Tse in China seine Lehre vom Tao.
Li=Örl wurde im dritten Jahre der Regierung des Kaisers Ting=Wang, im Jahre 604 B.C.E. als Sohn des Bauern Li in K'hüjen in der Provinz Honan geboren. Sein Vorname ör oder örl (Ohr) wurde ihm als Sinnbild weisen Lebensgehorsams gegeben. Nach den spärlichen Berichten über sein Leben, die wir dem chinesischen Geschichtsschreiber Si=Ma=Tsien (163-85 B.C.E.) verdanken, führte ihn sein Schicksal früh in die alte Kaiserstadt Lo=Yang im Gebiet des Hoang=ho oder Gelben Flusses, die nicht nur das Zentrum der chinesischen Reichsgründung, sondern schon seit der Shang=Dynastie (1450-1050 B.C.E.) und auch während der Regierungszeit der Tshu (1050-300 B.C.E.) den geistigen Mittelpunkt Chinas bildete.
Li=Örl gelangte hier früh zu Ansehen und schließlich trug ihm sein Vertrautsein mit den Lehrern der Frühzeit und ihren Werken das Amt des Geschichtsschreibers der Archive der Tshu, später das des Reichsarchivars und Staatsbibliothekars sowie den ehrenden Beinamen Lao=Tse (Lao oder Lau = alt. Tse, Dsi oder Tsu = Weiser, Meister, also Der alte Weise. Nach seinem Tode wurde er Lao=Dan Ehrwürdiger Weisheitslehrer genannt) ein. Sein Streben galt nicht dem äußeren, sondern dem inneren Leben. Nur wenige wußten, daß seine äußere Einsamkeit und bescheidene Zurückgezogenheit Berger und Verberger seiner inneren All-Gemeinsamkeit war, seines Erwachtseins zum Tao.
Solange Lao=Tse in Lo=Yang wirkte schrieb er nichts was über den Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hinausging. Nur wenige Schüler, die er selbst auswählte und die gleich ihm zu schweigen wußten leitete er auf den Weg nach innen. Wir würden von seinem Wirken nichts wissen, erwiese ihn nicht sein Tao=Teh=Ching als Mystiker, in dem irgendwann in der Mitte seines Lebens das innere Licht allerhellend aufstrahlte: Wie unterm Bodhi-Baum dem Königssohn Gautama die Erleuchtung zuteil ward, die ihn zum Buddha, zum Erwachten werden ließ und wie in vielen Weisen und Vollendeten vom Urbeginn aller Zeiten an gleichermaßen das innere Licht aufflammte, so erschloß sich auch Li=örl in der Sternstunde seines Lebens der All-Eine, bis er in der Seligkeit des Selbst-Erwachens Lao=Tsu wurde, der sich selber Weg und Ziel ward. Tao, Nirwana, das Reich Gottes - alles ward ihm zu einem, zum Einen. "Wahrlich, wir sind eins! Teil ward Ganzes. Leere ward Fülle. Den Wunschbefreiten erfüllt Leben. Geeint bin ich dem überseienden Nicht=Sein. Ich bin erwacht! Nicht umsonst war dieses Dasein. Ich habe zum Leben heimgefunden - zum Tao. Wahrlich: Wer im Lichte steht, sieht alles erleuchtet. Wer zum Tao erwacht, hat das Leben!" Von da an ist Lao=Tsu innerlich ein anderer. Nach außen hin aber blieb er, was er war: der weise Verwalter der überlieferungen seines Volkes, der beste Kenner der charakter- und geschichtsbildenden Kräfte, dessen Rat auch der Kaiser schätzte und dessen Ruf sich über das ganze Reich verbreitete.
In der geschichtlichen Begegnung mit dem des größten chinesischen Philosophen und Morallehrer, Kung=Tse (Konfuzius), die der überlieferung nach um 517 B.C.E stattfand als Lao=Tsu in seinem 87. Lebensjahr stand und Kung=Tse im sechsten Jahrzehnt seines Daseins, hatte Kung=Tse den Weisen aufgesucht, um sich von ihm über gewisse Morallehren der alten Philosophen unterrichten zu lassen und ihm seine eigenen Ansichten zu unterbreiten. Bekannt ist die Antwort, die Lao=Tsu ihm gab:
"Die Philosophen, von denen Du sprichst, sind längst verwest, wenn auch ihre Lehren als Ausdruck ihrer Zeit uns geblieben sind. Was zu wissen ist, ist zeitlos. Wenn die Verantwortlichen ihrer Zeit gerecht werden, sind sie Führer und ein Segen für ihr Volk; wenn nicht, bleiben sie Getriebene, die Fortschritt und Vollendung der Menschen aufhalten. Vergeblich jeder Versuch, Menschen und Völker durch äußere Reformen zu ändern. Zähme darum Deine Eitelkeit, laß fahren Dein fahrlässig Wissen! Laß ab vom Trug der schönen Programme, die dem Volke nicht helfen! Das Volk erneuert sich aus sich selbst, wenn es frei sich selbst regiert. Der Mensch veredelt sich selbst durch sein Selbst: durch das ihm innewohnende Streben nach Selbstverwirklichung. Alles übrige ist eitel und unnütz."
Kung=Tse, der den alten Weisen so aufgewühlt verließ, daß er drei Tage lang kein Wort sprach, berichtete später seinen Schülern von dieser Begegnung: "Der Vogel fliegt, der Fisch schwimmt, das Tier läuft - jedes auf seine Weise. Nun aber gibt es Drachen, von denen niemand weiß, wie sie zum Himmel aufsteigen. Als ich mit Lao=Tsu sprach, erkannte ich in ihm einen Drachen, der sich zu den höchsten Himmeln der Weisheit erhebt." Was Lao=Tsu, der Mystiker und 'Drache' - in der chinesischen Mythologie ist der Drache das Symbol göttlicher Weisheit - dem Philosophen bedeutete, ist dies:
"Dein Weg ist der Weg der Menschen; mein Weg ist der des Himmels. Ihn gehen heißt zum Frieden finden und zur Vollendung. Dein Weg entspringt der Zeitlichkeit und endet in ihr. Mein Weg führt vom Zeitlosen zum Ewigen: Zur Erfüllung des Sinns des Lebens. Dein Weg ist der Weg der Geschäftigkeit. Mein Weg ist der Weg des Nicht-Tuns, bei dem nichts ungetan bleibt: Der Weg der Stille und Ruhe, aus dem das rechte Bewegtsein entspringt."
Kung=Tse verdankte der Berührung mit Lao=Tsu das Wachwerden für das Geheimnis der Stille. Zweifellos datiert von da an die von Tschuang=Tse erwähnte innere Wandlung des Philosophen, von der an sich seine Lehren der Weisheit des Lao= Tsu merklich näherten, wenn er auch nicht die Vollendung und Erkenntnishöhe des Erleuchteten erreichte. Denn Kung=Tse blieb was er war - der aktive Morallehrer, der, an der Oberfläche haftend, das äußere Leben zu erneuern trachtet -, während Lao=Tsu, der kontemplative Mystiker, in die Tiefe und bis zum Kern vordringt. Darum weist er die Menschen zum Wesentlichen, das ewig ist, und verhilft ihnen zum einzig möglichen und nützlichen Gewinn in der Zeitlichkeit: Zum Selbst-Gewinn, mit dem auch das All-Selbst gewonnen ist. Da der Mystiker zeitlos ist, ist auf die geschichtliche Stellung und Bedeutung Lao=Tsu's hier nicht einzugehen. Der Weise lebt in seiner Zeit und Welt; aber er wurzelt nicht in ihr, sondern im Ewigen. Seine Weisheit leuchtet darum über alle Zeit hinweg als Wegweisung zum Wachwerden für die Wirklichkeit und das Sein hinter allem Schein und Sinnentrug der Zeitlichkeit. Es wundert nicht, daß Lao=Tsu nur einzelne Schüler und Nachfolger fand, während Kung=Tse dreitausend Schüler zählte. Im Gegensatz zum Philosophen hatte Lao=Tsu kein Verlangen eine Schule zu gründen und seine Erkenntnisse zu verbreiten. Er antwortete nur, wenn er gefragt wurde und gab denen, die ihn darum baten von seiner Weisheit; im übrigen aber schwieg er im Blick darauf, daß letztlich jeder selbst - vom eigenen Selbst her - zur Wirklichkeit erwachen muß und dass dieses Erwachen nicht von außen her bewirkt oder beschleunigt werden, sondern nur dort gefördert werden kann, wo das Verlangen danach bereits entbrannt ist.
Trotz dieser Zurückhaltung wurde dem Mystiker auch nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst die Ruhe und Abgeschiedenheit mißgönnt, weshalb sich Lao=Tsu einige Jahre nach dem Gespräch mit Kung=Tse zum Gang in die Heimatlosigkeit entschloß. Es wird berichtet, daß er den Wanderstab nahm und über die Grenze Honans nach Westen ging. Beim überschreiten des Gebirgspasses bat ihn der Kommandant der Grenzfeste, Jin=Hi, der zu Lao=Tsu's Schülern zählte und seinen Lehrer durch die feierliche überreichung einer Schale mit Tee begrüßte und ehrte, der Weise möge ihm vor seinem Scheiden eine Darstellung des Weges zur Vollendung überlassen. Lao=Tsu entsprach der Bitte und schrieb in der Einsamkeit der Berge den Tao=Teh=King (Die Tugenden der Weisen) in der ihm eigenen lapidaren Kürze in neun mal neun Sprüchen nieder. Er übergab das Werk dem Freunde als sein Vermächtnis, um danach seine Reise fortzusetzen und der Urheimat näher zu kommen, in die er zwischen dem 90. und 95. Lebensjahr zurückkehrte. "Niemand weiß, wo er geendet", sagt der Geschichtsschreiber Si=Ma=Tsien ...
entnomen aus der Seite von Volker Doormann (www.doormann.org)
Lao Tse
(Die Tugenden der Weisen)
I. Tao
Das Tao das man beschreiben kann - ist nicht das wirkliche Tao
Der Name den man nennen kann - ist nicht des Ewigen Name
Das
Namenlose ist der Ursprung des Himmels und der Erde;
Das Namhafte
ist die Mutter aller Dinge
Wer ohne Begehren ist - sieht das
Innere;
Wer voll Begehren ist sieht nur das Äußere
Das
Äussere und das Innere - obgleich verschieden im Namen - sind
eins im Wesen
Diese Einsheit ist das Geheimnis des Tao - das
Unergründliche des Urgrunds ist das Tor aller Offenbarung

2.
Wer da sagt Schön - schafft zugleich Unschön
Wer
da sagt Gut - schafft zugleich Ungut
Sein bedingt Nichtsein -
Schwer ergänzt Leicht
Lang bemisst Kurz - Hoch erzeugt
Niedrig
Laut bestimmt Leise - Jetzt folgt Einst
Der Weise
handelt ohne Tun - lehrt ohne Worte - Dinge entstehen und vergehen
Er erzeugt ohne zu besitzen - er handelt ohne zu erwarten - er
vollendet ohne zu verweilen
Indem er sein Werk vergisst - bleibt
es unvergessen
3.
Begabte nicht zu bevorzugen hilft
Streit zu vermeiden
Schätze nicht zu sammeln hilft
Diebstahl zu verhindern
Begehrenswertes nicht zu beachten hilft
Verwirrung vorzubeugen
Der Weise leert das Herz und füllt
den Bauch
Er mindert das Begehren und mehrt die Kraft
Er
lehrt das Volk Einfachheit und Genügsamkeit
Er lehrt die
Wissenden nicht einzugreifen
Er wirkt ohne Handeln und nichts
bleibt ungetan
4.
Das Tao ist leer - sein Gebrauch
unerschöpflich - in seiner Tiefe der Ursprung aller Dinge
Es
bricht die Schärfe - löst die Verwirrung - mindert den
Glanz - findet den Grund
Still verschwiegen, tief verborgen - ich
weiß nicht woher es kommt - es ist der Ursprung des Himmels
5.
Himmel und Erde sind gleichgültig - alle
Dinge sind ohne Bedeutung
Die Weisen sind gleichgültig -
alle Menschen sind ohne Bedeutung
Der Raum zwischen Himmel und
Erde ist wie ein Blasebalg - seine Leere ist seine Fülle
Viele
Worte sind schnell erschöpft - besser ist, das Innere zu
bewahren
6.
Die Mutter des Alls ist unvergänglich
Leer ist sie die verborgen Gebärende
Bewegt ist sie
alles Werden und die ewig fließende Quelle
Ohne Befruchtung
gebiert sie ohne Ende
Unauschöpfbar bewirkt sie die Fülle
7.
Himmel und Erde sind immer und ewig
Warum
sind sie immer und ewig? - Weil sie nicht sich selber leben - darum
leben sie selbst - immer und ewig
Der Weise tritt zurück -
daher ist er voraus - er verliert sich selbst und bewahrt sich dabei
selbst
Das ist es: Weil er selbstlos ist erlangt er
Selbstvollendung
8.
Das höchste Gut ist wie
Wasser - Wasser ist gut allen Wesen zu dienen
Es bemüht
sich nicht und bleibt an Orten die Menschen verachten
Darin
gleicht es dem Tao
Der Wert des Hauses liegt im Ort
Der
Wert des Herzens liegt in der Tiefe
Der Wert des Miteinander
liegt in der Güte
Der Wert der Rede liegt in der Wahrheit
Der Wert der Führung liegt in der Ordnung
Der Wert der
Arbeit liegt im Können
Der Wert des Handelns liegt im
Zeitpunkt
Kein Begehren - kein Tadel
9.
Besser
ein Gefäß zum maß zu füllen - als zu
Überfließen
Niemand kann ein Schwert gebrauchen und es
zugleich schärfen
Niemand kann Reichtum häufen und
zugleich gesichert sein
Besitz erzeugt Besessenheit -
Besessenheit hochmut - Hochmut Unheil
Der Weise hält Maß
- beendet sein Werk - stellt sein Selbst zurück - entzieht sich
dem Ruhm
Darin erweist sich die Weisheit des Weisen
10.
Wenn
du die Seele förderst - und das Eine umfängst - kannst du
ungeteilt sein
Wenn du dich hingibst - und biegsam wirst -
kannst du wie ein Kind sein
Wenn du die Einsicht reinigst - und
läuterst - kannst du makellos sein
Wenn du das Volk liebst -
beim Lenken des Reiches - kannst du tatenlos sein
Wenn du die
Tore des Himmels öffnest - und schliesst - kannst du nährend
sein
Wenn du klar und durchdringend bist - kannst du unwissend
sein
Erzeugen und ernähren - Innehaben doch nicht zu
besitzen - wirken doch nicht beanspruchen - Leiten doch nicht zu
beherrschen - das ist ursprüngliche Tugend
11.
Dreißig
Speichen treffen die Nabe - die Leere in der Mitte macht das Rad
Ton
formt man zu einem Krug - die Leere in der Mitte macht das Gefäß
Türen und Fenster bricht man in Mauern - Die Leere in der
Mitte macht das Haus
Die Form entsteht aus dem Sein - die
Verwendung aus dem Nicht-Sein
12.
Zu grelles Licht
gefährdet das Sehen - zu großer Lärm betäubt das
Ohr
Zu stark Gewürztes verdirbt den Geschmack - Zu starke
Erregung stumpft das Gefühl - Gier nach Genuß läßt
Erkennen nicht zu
Der Weise achtet auf das Innere - nicht auf das
Äußere - Er gibt jenes auf - und erhält dieses
13.
Ruhm und Schande sind gleich leidvoll - Glück und Unglück
gleichen dem Ich
Warum?
Erlange den Ruhm und du fürchtest
seinen Verlust - verliere den Ruhm und Dich schreckt die
Schande
Beide begleitet die Angst - beide sind Quellen des Leids
Glück und Unglück kommen vom Ich - treffen das Ich -
begleiten das Ich
Frei Sein vom Ichheißt frei Sein von
Schande wie Ruhm -von Unglück wie Glück - frei Sein vom
Leid
Ichheit ist Begrenztheit - ist Bindung an Leid und
Weltverlorenheit
Allheit ist Einssein mit dem Unbegrenzten - ist
Leidüberlegenheit und Weltüberwindung
14.
Nicht
wer nach ihm sucht und ausschaut, sondern wer die Augen schließt
wird des Unsichtbaren gewahr
Nicht im Hinhorchen und Hörenwollen,
sondern im gelassenen Schweigen wird das Lautlose vernehmbar
Nicht
im Erfassen- und Greifenwollen sondern im Gefaßtsein und Lassen
enthüllt sich das Unbegreifliche
Diese drei soll man nicht
tun - man muß sie
sein um des Einen inne zu werden und
zu ihm zu entwerden
Von außen her ist TAO nicht erhellbar -
innen ist es hell
Dem Seienden ist er das Nicht=Sein - dem
Nicht=Seienden ist er das 'Über der Natur Sein' -
das Sein
hinter dem Schein - der Geist jenseits der Form - das Unbewegte vor
und hinter aller Bewegung
Unerhellbar ist sein Anfang -
unerkennbar sein Ausgang und Ende
Doch wer weder zurück noch
in die Ferne schaut, sondern inne haltend zur Allgegenwart des
Jetzt
erwacht -
der entschwingt sich dem Kreislauf des Werdens und
Vergehens - und kehrt heim zu dem EINEN
15.
Die alten
Weisen waren Meister der Versenkung und eins mit dem Einen
Unergründlich war ihre Tiefe - unwahrnehmbar ihre Größe
Ohne hervorzutreten wirkten sie aus der Stille:
Sie traten
behutsam auf als gelte es einen angeschwollenen Fluß zu
durchwaten
Sie waren achtsam als gelte es niemandem wehe zu tun
Zurückhaltend wie Gäste aus der Fremde - Nachgiebig wie
Schnee in der Sonne
Unauffällig wie unbehauenes Holz -
willig und aufgeschlossenwie ein tiefes Tal - und doch dunkel und
undurchschaubar wie trübe Flut
Wer bringt das Trübe zur
Klärung und erhellt das Dunkel? - der, der in Stille und
Schweigen sich selbst klärt und durchlichtet
Wer erweckt
den Bodensatz ohne ihn aufzurühren zum Leben? - der Eins mit der
Weisheit - der lassend Leer=Gewordene
Weil er selbst=los ward
spendet er Leben
Der harrt nicht mehr des Kommens Fülle, der
zur Vollkommenheit fand
16.
Erreiche die große
Leere - bewahre die tiefe Stille
Alle Dinge entstehen und vergehen
- betrachte ihre Wiederkehr
Alles kehrt zum Ursprung zurück -
die Rückkehr zum Ursprung ist Stille
dies ist der Weg der
Natur - der Weg der Natur ist ewig
Das Ewige zu kennen bringt
Einsicht - das Ewige nicht zu kennen bringt Unheil
Das Ewige zu
kennen macht geduldig - geduldig zu sein macht redlich
redlich
zu sein macht edel - edel zu sein macht natürlich
natürlich
zu sein ist der rechte Weg - wer den rechten Weg geht ist ohne Zeit -
selbst wenn er vergeht dauert er fort
17.
Die besten
Herrscher waren kaum gekannt - die folgenden geliebt und geehrt
die
folgenden gefürchtet - die letzten verachtet
Wer selbst kein
Vertrauen hat wird auch kein Vertrauen finden
Wählt er seine
Weisung mit Bedacht werden die Werke vollendet
dem Willen
willfahren und das Volk sagt: Wir sind frei
18.
Wird
der rechte Weg verlassen entstehen Güte und Moral
Wissen und
Klugheit kommen auf und große Heuchelei folgt
Zerbricht
die Eintracht der Familie entsteht Kindespflicht und Elternliebe
Wenn das Land in Wirren und Chaos gerät treten ergebene
Staatsdiener auf
19.
Hört auf mit scheinheilger
Klugheit und berechnender List - und das Volk wird wie eine Familie
sein
Hört auf Menschenliebe und Gerechtigkeit zu fordern -
und die Erkenntnis des EinsSein wird gefördert
Hört auf
der Lust an Macht und Besitz zu frönen - und die Gefahr durch
Diebe und durch Verlust schwindet
Erreicht werden diese Drei
nicht durch Verordnungen und Gesetze, sondern durch Rückkehr zur
Wahrhaftigkeit und Einheit
Erkenne das Einfache - Pflege das
Schlichte - Lege die Selbstsucht ab - dann wird Selbstlosigkeit zur
Selbstverständlichkeit
20.
Ersetze Wissen durch
Weisheit - und Sorge verschwindet
Siehst du den Unterschied
zwischen Meinen und Kenntnis?
Siehst du den Unterschied zwischen
Gewohnheit und Erkenntnis?
Was alle ehren soll man nicht
missachten - wie soll die Verfinsterung der Seelen sonst enden?
Die
Masse freut sich am Tieropfer und im Frühling am Besteigen der
Berge
Ich stehe still - gelassen und wunschlos - wie ein
neugeborenes Kind, das noch nicht lächelt - heimatlos
Andere
besitzen in Fülle - ich bin unbedürftig und einfältigen
Herzens
Andere eilen dahin - gleich den Wellen des Meeres - und
strahlen ob der Vielfalt des Wissens;
Ich bin unbewegt und dunkel
wie die Tiefe des Meeres
Andere sind geschäftig - ich bleibe
im Nicht=Tun - unvermengt und einsam
Je unvermengter und einsamer
- desto näher dem Gemeinsamen - desto näher dem
mütterlichen Schoß der Weisheit
21.
Die
höchste Tugend ist dem rechten Weg zu folgen - der rechte Weg
ist unfassbar und unbegreiflich
Unfassbar und unbegreiflich ist
sein innerstes Bild - unfassbar und unbegreiflich ist seine innerste
Form
Verborgen und unergründlich ist sein innerstes Wesen -
sein Wesen ist die Wirklichkeit- sein Innerstes ist die Wahrheit
Von
damals bis heute ist sein Name immer gleich am Anfang aller
Dinge
Woher ich vom Anfang aller Dinge weiß? Eben durch dies
22.
Was nachgibt, wird vollkommen - was biegsam ist,
wird gerade
was leer ist, wird voll - was vergeht, wird neu
was
zuwenig ist, wird bereichernd - was zuviel ist, wird verwirrend
Der
Weise hält sich an das Eine und wird zum Vorbild der Welt:
Er
beachtet sich nicht und ist darum geachtet
Er schätzt sich
nicht und ist darum geschätzt
Er rühmt sich nicht und
ist darum berühmt
Er bewundert sich nicht und wird darum
bewundert
Weil er nicht streitet kann niemand mit ihm streiten
Ist es nicht wahr, was die Alten sagten? Was nachgibt, wird
vollkommen - So waren sie vollkommen
23.
Die Natur
spricht wenig
Ein Sturmwind dauert keinen Morgen - ein
Platzregen dauert keinen Tag
Diese kurzen Äusserungen sind
Natur
Wenn die Natur nicht dauert - so auch der Mensch
Mehr
als Aussen und Äusserung ist Innensein
Wer Weisheit durch
sich wirken läßt - den leitet die Weisheit
Wer der
Tugend folgt - den bestimmt sie.
Wer sich nach außen wendet
und Äußerem folgt - den bestimmt das Außen und ist
ohne Halt
Wer eins mit der Weisheit - dem dient willig die
Weisheit
Wer eins mit der Tugend - den nimmt die Tugend freudig
auf
Wer eins mit der Welt - dem begleitet der Mangel
Wohin du
vertraust - kommt die Antwort zurück
24.
Wer auf
den Zehen steht - steht nicht gut
Wer seine Beine spreizt- geht
nicht gut
Wer scheinen will - ist nicht erleuchtet
Wer gelten
will - gilt nichts
Wer wichtig tut - hat kein Gewicht
Wer sich
selbst erhebt - ist kein Erhabener
Solche Haltung dient der
Weisheit so wenig wie Abfall der Erhaltung des Körpers -
Wer
weise ist - hält sich nicht damit auf
25.
Ehe
Himmel und Erde entstanden -
ist das EINE - zweitlos -
unoffenbar - vollkommen - schweigender unergründlicher Urgrund
Unbewegt
ist es ohne Wechsel und Wandel - alldurchdringend
- doch undurchdringbar - Urschoß der Welt
Namenlos
ist
das EINE - ich nenne es TAO
Formlos
ist es - ohne
Eigenschaften - ich nenne es das Grenzenlose - der Kreis der in sich
selbst zurückkehrt
Weisheit ist unendlich - der Himmel ist
unendlich - die Erde ist unendlich - der Mensch ist unendlich - das
sind die vier Großen des Alls
Der Mensch ist einer davon
Sein Gesetz ist die Erde - die Erde Gesetz ist der Himmel - des
Himmels Gesetz ist das TAO - das TAO ist sich selbst Gesetz
26.
Das Schwere begründet das Leichte - die
Stille beruhigt das Laute
Der Weise reist leicht - und nimmt das
Schwere mit sich - Glanz lässt ihn gelassen
Wenn der
Herrscher die Welt leicht nimmt - wird er leichtfertig
Verliert
er den Halt - wird er rastlos - verliert er die Herrschaft
27.
Ein guter Weg hat keine Spur - eine gute Rede keine Schrift
ein
guter Rechner keine Rechnung - ein gutes Tor keinen Riegel - und ist
doch nicht zu öffnen
ein guter Knoten zieht nicht fest - und
ist doch nicht zu lösen
Der Weise nimmt sich aller Menschen
an - und schließt niemanden aus
Er nimmt sich aller Dinge
an - und verwirft nichts - Er erhellt alles
So ist der Weise dem
Schwachen ein Lehrer - der Schwache dem Weisen eine Hilfe
Wer den
Lehrer nicht schätzt - und die Hilfe nicht annimmt - geht in die
Irre - so klug er auch sein mag - darin liegt das Geheimnis
28.
Erkenne das Männliche - bewahre das Weibliche - darauf
beruht die Welt
Wer die Welt bewahrt - ist der Tugend nah - wie
ein kleines Kind
Erkenne das Helle - bewahre das Dunkle - sei der
Welt ein Vorbild
Wer der Welt ein Vorbild ist - erhält die
Tugend - und kehrt zurück ins Unendliche
Erkenne den Ruhm -
bewahre die Bescheidenheit - sei die Tiefe der Welt
Wer die Tiefe
der Welt ist - ist von Tugend erfüllt - und kehrt zurück
ins Einfache
Wer das Einfache teilt - macht daraus Nützliches
Macht der Weise sich nützlich - wird ein Beamter aus ihm
Das Tao teilt nicht
29.
Wer sich der Welt
bemächtigen - und sie verändern will - dem wird es nicht
gelingen
denn die Welt ist ein heiliges Gefäß - sie
kann nicht verbessert werden
Wer sie verändert - verdirbt
sie
Wer sie festhält - verliert sie
In der Ordnung der
Natur - ist Führen und Folgen
Einatmen und Ausatmen -
Stärke und Schwäche - Aufstieg und Fall
Der Weise
meidet - das Großartige - das Besondere - das Übermaß
30.
Wer auf dem rechten Weg den Herrscher berät
ist - gegen Waffengewalt
Unter Waffen gehen - heißt
untergehen
Hinter den Heeren - wachsen Disteln und Dornen
Große
Armeen - bringen große Armut
Erreiche dein Ziel - das ist
genug - vertraue nicht den Waffen
Erreiche dein Ziel - ohne Stolz
- ohne Prahlen - ohne Hochmut - aus Notwendigkeit - aber hüte
dich vor der Gewalt
Denn nach dem Sieg - folgt der Niedergang -
ohne den rechten Weg
Ohne den rechten Weg - geht es rasch zu
Ende
31.
Waffen sind Werkzeuge des Unglücks -
bei allen Geschöpfen verhasst
Wer den rechten Weg geht - der
läßt sie liegen
Der Weise liebt - das Schöpferische
Der Krieger liebt - das Zerstörerische
Waffen sind
Werkzeuge des Unglücks - und nicht Werkzeuge des Weisen
Er
verwendet sie - wenn er keine Wahl hat
Ruhe und Friede sind ihm
das Höchste - ein Sieg ist kein Grund zur Freude - Freude am
Siegen ist Freude am Töten
Wer jedoch Freude am Töten
hat - wird in der Welt keine Erfüllung finden
Wenn viele
Menschen getötet werden - müssen sie voll Kummer betrauert
werden - darum ist jeder Sieg eine Trauerfeier
32.
Der
rechte Weg - ist ewig - von namenloser Schlichtheit
obwohl
unscheinbar - kann er nicht erfasst werden
Wären die
Herrscher fähig den Weg zu bewahren - würden alle Wesen
folgen
Himmel und Erde sich vereinigen - um süßen Tau
zu regnen
das Volk - ohne Zwang - wäre redlich und einig.
Beginnt die Unterscheidung - so entstehen Begriffe
Wenn
Begriffe auftauchen - ist es besser innezuhalten
Weiß man
innezuhalten - entsteht keine Gefahr
Der rechte Weg - ist in der
Welt - wie Bäche und Flüsse - in den Strömen und
Meeren
33.
Wer andere kennt ist klug
Wer sich
selbst kennt ist weise
Wer andere besiegt ist stark
Wer sich
selbst besiegt hat Macht
Der Genügsame ist reich
Wer
sein Ziel kennt kennt seinen Weg
Der in sich Ruhende hat Dauer
Der Entwordene hat den Tod überwunden
34.
Das
große Tao fließt überall - rechts oder links
alle
Wesen vertrauen ihm - und werden nicht enttäuscht
Ist das
Werk vollendet - fordert es nichts
Es kleidet und nährt alle
Wesen ohne sie zu beherrschen - ohne Denken, ohne Ziel - erscheint
es sehr klein
Es ist die Heimat aller Dinge - ohne sie zu
beherrschen - erscheint es sehr groß
Es bewirkt Großes
- jedoch nicht für sich selbst
Es ist wahrhaft
groß
35.
Folge dem Vorbild - und die ganze Welt
folgtohne Leid und in Frieden - in ruhigem Gleichgewicht
Bietet
sich Musik und Speise - bleibt der eilige Wanderer stehen
Er
schmeckt das TAO - und nimmt es nicht wahr
Er sieht das TAO - und
erblickt es nicht
Er hört das Tao - und vernimmt es nicht
Wer es inmitten der Vergänglicheit ergreift unf hält -
wird vom Unvergänglichen ergriffen - und erlangt Dauer
36.
Was geschmälert werden soll - muss zuvor ausgedehnt werden
Was geschwächt werden soll - muss zuvor verstärkt
werden
Was gestürzt werden soll - muss zuvor erhöht
werden
Was genommen werden soll - muss zuvor gegeben werden
Dies
erkennen heißt die tiefen Zusammenhänge erkennen:
Das
Weiche und Schwache - überwindet das Harte und Starke
Fische
sollen in der Tiefe des Wassers bleiben - eine große Macht soll
ihre Überlegenheit nicht zeigen
37.
Das Tao
handelt nicht - doch nichts bleibt ungetan
Wären die
Herrscher fähig dem rechten Weg zu folgen - würden alle
Menschen sich ihrer Natur nach entfalten
Das Begehren zu handeln
- kann nur durch das Einfache - das Namenlose - das Ursprüngliche
- gestillt werden
Das Einfache ist wunschlos - das Wunschlose ist
ohne Tun - die Welt ordnet sich von selbst
II. TEH
38.
Wahre
Tugend will nicht tugendhaft sein - Darum ist sie tauglich und führt
zur Vollendung
Tugend die als tugendhaft gelten will taugt nicht
- wahre Tugend waltet unsichtbar ohne Absicht und ohne Handeln
Wo
Absicht herrscht und Handeln im Sichtbaren ist Tüchtigkeit aber
nicht Tugend
Güte ist Tun doch ohne Berechnung und Absicht.
Gerechtigkeit ist Tun - rechnet und hat Absichten.
Moral ist
tätig und berechnend und greift bei Widerstand zur Gewalt
Fehlt
das Wesentliche - das Einssein mit TAO - nimm Zuflucht zur Tugend
Fehlt die Unbefangenheit der Tugend - dann sei Güte Dein
Halt
Mangelt Güte - dann sei gerecht - fehlt der Sinn fürs
Rechte bleibt nur die Moral
Moral ist nur äußerliche
Tugend ohne Bindung nach innen - sie führt ins Wesenlose und ist
untauglich zur Vollendung
Darum wendet der Weise sich zum
Wesentlichen - nach innen statt nach außen - zum Kern statt zur
Schale
Zum Sein statt zum Schein - und wird alles Trachten
lassend zum gelassenen Träger der Tugend des Tao
39.
Einst war alles im Einklang mit dem Einen:
Der Einklang des
Himmels schafft Klarheit
Der Einklang der Erde schafft
Beständigkeit
Der Einklang der Geister schafft Erleuchtung
Der Einklang der Quellen schafft Fülle
Der Einklang der
Wesen schafft Leben
Der Einklang der Herrscher schafft Frieden
Ohne Klarheit würde der Himmel zerbrechen
Ohne
Beständigkeit würde die Erde zerfallen
Ohne Erleuchtung
würden die Geister vergehen
Ohne Fülle würden die
Quellen versiegen
Ohne Leben würden die Wesen sterben
Ohne
Frieden würden die Herrscher stürzen
Das Niedrige ist
die Wurzel des Hohen
Das Demütige die Grundlage des
Erhabenen
Darum betrachten sich die Herrscher als gemein - weil
sie im gemeinen Volk wurzeln
Wer die Teile des Ganzen entfernt -
zerstört das Ganze
Glänze nicht wie Jade - sei einfach
wie ein Stein
40.
Wiederkehr - ist der Weg des Tao
Nachgiebigkeit - die Weise des Tao
Alles wird aus dem Sein
geboren
Das Sein jedoch aus dem Nicht-Sein
41.
Wenn
der Kluge vom rechten Weg hört - bemüht er sich ihm zu
folgen
Wenn der Mittelmäßige von ihm hört - folgt
ihm und verliert ihn
Wenn der Törichte von ihm hört -
lacht er schallend
Wenn er nicht darüber lacht - wäre
es nicht der rechte Weg
Der rechte Weg - verschwindet im Dunkel
Ein Schritt voran - ist ein Schritt zurück
Der ebene Weg
- ist ein Auf und Ab
Die höchste Tugend - erscheint niedrig
Der größte Wert - erscheint unwert
Der wahre
Reichtum - unzureichend
Innere Stärke - erscheint als
Schwäche
Die reine Wahrheit - wie Täuschung
Der
vollkommene Raum - hat kein Ende
Das vollkommene Gefäß
- keine Form
Der vollkommene Klang - keinen Ton
Die
vollkommene Form - kein Bild
Der rechte Weg - ist verborgen und
namenlos
Er erhält - und vollendet alles
42.
Aus dem Tao entsteht die Einheit
Aus der Einheit der
Gegensatz
Aus dem Gegensatz die Vielfalt
Aus der Vielfalt die
ganze Welt
Die ganze Welt trägt in sich das dunkle Yin - um
sich das lichte Yang
Durch die Kraft der Leere - bleiben diese im
Einklang
Die Menschen wollen nicht einsam und unwürdig sein
- und doch bezeichnen sich die Herrscher gerade so
Man gewinnt
durch Verlust - und verliert durch Gewinn
Was andere lehren, das
lehre auch ich: Ein starker Herrscher - nimmt kein gutes Ende - das
ist der Ursprung meiner Lehre
43.
Das Nachgiebige
überwindet das Starre - das Formlose durchdringt die Form
Wirken entsteht durch Nicht-Tun - lehren ohne Worte - wirken ohne
Tun - wenigen gelingt dies
44.
Ruhm oder Leben - was
zählt mehr?
Besitz oder Leben - was wiegt mehr?
Besitz
gewinnen - sich selbst verlieren - was ist schlimmer?
Wer viel
begehrt - verausgabt sich
Wer viel besitzt - verliert sich
Wer
Fülle meidet - erreicht Erfüllung
Wer inne hält -
erhält inneren Halt - und bleibt sich selbst erhalten
45.
Die größte Vollkommenheit: Erscheint sie unvollkommen
- so ist sie brauchbar
Die größte Fülle:
Erscheint sie leer - so ist sie unerschöpflich
Das höchst
Gerade - ist wie krumm
Das höchst Gescheite - ist wie dumm
Das höchst Beredte - ist wie stumm
Bewegung überwindet
Erstarrung
Besonnenheit überwindet Erregung
Stille und
Klarheit bewirken Ordnung in der Welt
46.
Wenn die
Welt dem rechten Weg folgt - ziehen die Pferde den Jauchewagen
Wenn
die Welt den rechten Weg verläßt - züchtet man
Streitrosse an den Grenzen
Keine größere Schwäche
als das Begehren
Kein größeres Unheil als
Unzufriedenheit
Keine größere Sünde als die
Habgier
Erkenne dass genug genug ist - und immer genügen
wird
47.
Ohne aus dem Haus zu gehen - kannst du die
Welt erkennen
Ohne aus dem Fenster zu sehen - kannst du den
rechten Weg erkennen
Je weiter deine Reise dich fortführt -
desto geringer deine Erkenntnis
Der Weise erkennt - ohne zu
reisen- versteht ohne zu sehen - vollendet ohne zu handeln
48.
Wer Gelehrsamkeit sucht - lernt täglich dazu
Wer den
rechten Weg sucht - verliert täglich etwas weniger und weniger -
bis das Nicht-Tun erreicht ist
Wird nichts mehr getan - bleibt
nichts ungetan
Durch Nicht-Tun wird die Welt gewonnen - durch Tun
wird die Welt verloren
49.
Der Weise hat keine Sorge
um sich - er hat Sorge um alle Menschen
Er ist gut zu den Guten -
er ist gut zu den Schlechten - denn Tugend ist Güte
Er ist
ehrlich zu den Ehrlichen - er ist ehrlich zu den Unehrlichen - denn
Tugend ist Ehrlichkeit
Der Weise lebt behutsam und demütig -
alle richten ihre Herzen auf ihn - er achtet alle wie seine Kinder
50.
Ins Leben hinausgehen - heißt ins Sterben
eingehen
Drei von zehn bejahen das diesseitige Leben
Drei von
zehn bejahen das jenseitige Leben
Drei von zehn verneinen das
Leben und fürchten den Tod
Diese neun
sehen nur das äußere Leben - und verfallen dem Tode
Der
Zehnte - der Weise - schreitet durchs äußere Leben - ohne
Ja und Nein - ohne Gier und Furcht - des Inneren gewiß.
Keine
äußere Macht kann ihn halten - keine Gewalt kann ihn
vernichten - kein Tod kann ihn treffen - weil er jenseits des Todes
lebt
Wer zum inneren Leben heimfand - geht seinen Weg ohne Furcht
vor Tigern oder Nashörner - schreitet durch feindliche Heere
ohne Panzer und Waffen.
Denn sie können ihn nicht treffen,
noch töten - weil an ihm nichts mehr ist - das gemindert oder
vernichtet werden kann.
51.
Alle Wesen entstehen aus
dem Tao
Der rechte Weg erzeugt sie - die rechte Tugend nährt
sie
Das rechte Wesen formt sie - der rechte Einfluss vollendet
sie
Alle Wesen ehren das Tao - und achten die Tugend
Tao wird
geehrt - die Tugend geachtet - ohne Anordnung wie von selbst
Der
rechte Weg erzeugt sie - die Tugend nährt sie - versorgt und
beschirmt sie
Läßt sie wachsen und reifen - erzeugen
und nicht besitzen - wirken ohne zu erwarten - Fördern ohne zu
beherrschen- Das heißt tiefe Tugend
52.
Die
leuchtende Tiefe der Weisheit ist aller Wesen Mutter
Wer die
Mutter erkennt - erkennt sich als Kind der Weisheit
Wer sich als
dies Kind erkennt - ist auf dem Weg zur Heimat
Heimkehrend ist er
dem Karma enthoben
Wer schweigt und seine Sinnestore schließt
- lebt ohne Furcht
Wer den Mund öffnet und im Außen
lebt - bleibt ein Sklave der Furcht und des Todes
Wer in allem
die leuchtende Tiefe sieht - ist erleuchtet
Wer wie das Werdenden
die Weichheit bewahrt ist stark
Wer dem Licht im Innern folgt -
verliert nichts durch das Tun des Körpers
Er leuchtet in
Weisheit - ist Erbe des Ewigen
53.
Der Weise lebt
gelassen nach innen
Die Unweisen streben betriebsam nach außen
Der
Eine findet im Innen den Gewinn des Selbst
Die Vielen verfallen im
Außen der Selbstsucht
Selbst=Gewinn führt zur Weisheit-
Selbst=Sucht zu Diebstahl
Was die Einen zuviel haben - fehlt den
Anderen
Felder veröden - Speicher sich leeren - Mangel sich
breitet
Während die Besitzbesessenenen Burgen bauen - sich
wappnen mit Waffen
Prangen und prassen - sich rühmen als
reich
Nicht erkennend, daß ihr Tun Diebstahl ist - ihre
Habe Diebesgut - nicht Weisheitsgut
54.
Der wird nicht
entwurzelt -der in der Weisheitwurzelt
Der
wird nicht verführt - den die Weisheit führt
Die
nach ihm kommen werden ihn rühmen.
Folge
der inneren Weisheit und Deine Tugend - und Dein inneres Bewusstsein
nimmt zu
Erkenne die Weisheit im Anderen - und Deine Tugend
fördert Fülle und Zusammenhalt
Schaue auf die Weisheit
Deiner Gemeinde - und Deine Tugend mehrt Harmonie und
Gemeinsamkeit
Sieh die Weisheit in Deinem
Lande - und Deine Tugend wirkt Wohlstand und Einklang
Fördere
die Weisheit in der Welt - und Deine Tugend dient der Einung der
Menschheit
Was Weisheit für Dich ist - bist dem Anderen
So
wird Weisheit in der Gemeinde - eine Hilfe für das Land - eine
Hilfe für die Welt
Woran erkennst du die Ordnung der Welt?
Daran, wie du selbst weise bist und wie in Dir selbst Weisheit
ist
55.
Wer von Tugend erfüllt ist - ist wie ein
neugeborenes Kind
Giftige Insekten stechen es nicht - wilde
Bestien beißen es nicht - Raubvögel greifen es nicht
Seine Knochen sind weich - seine Muskeln sind schwach - aber sein
Griff ist fest
Es weiß noch nichts von Mann und Frau - doch
sein Geschlecht zeigt und erregt sich schon
Es ist voller
Lebenskraft - es schreit den ganzen Tag - und wird davon nicht heiser
- in vollendetem Einklang
Das Wissen vom Einklang - ist das
Unendliche
Das Wissen vom Unendlichen - ist die Erleuchtung
Zunehmendes Alter bringt Unheil - zunehmender Willen bringt
Stärke
Zunehmende Stärke bringt Erstarrung - Das ist
nicht mehr der rechte Weg - daher geht es bald zu Ende
56.
Der Weise redet nicht - Der Redende weiß nicht
Der Weise
schließt die Sinnestore und schweigt- lindert Zwiespalt - löst
Verwirrung - mindert sein Licht - ist allen nah'
Er ist All=Eins
Liebe und Hass berühren ihn nicht - Gewinn und Verlust
berühren ihn nicht - Ehre und Schandeberühren ihn nicht
Das ist sein Adel
57.
Redlicheit regiert das Land
- Klugheit siegt ohne Waffen - Weisheit wirkt durch Nicht=Tun
Durch
rechtschaffene Leitung des Staates - durch seltenen Gebrauch der
Waffen - durch Nicht-Tun - gewinnst du die Welt
Woher ich weiß,
dass es so ist? - Es ist so:
Je mehr Verwaltung und Verbote -
umso mehr Gewalt und Armut
Je mehr Gewalt und Waffen - umso mehr
Unruhe und Widerstand
Je mehr Geschick und Berechnung - umso mehr
Hinterlist und Rückschläge
Je mehr Verordnungen - umso
mehr Feinde der Ordnung
Der Weise übt das Nicht=Tun - und die
Menschen tun von selber recht
Er übt das Schweigen - und die
Menschen kommen zur Ruhe
Er übt Nichteinmischung - und die
Menschen finden zur Fülle
Er übt Sanftmut und Langmut -
und die Menschen gelangen zu zur Einmütigkeit und
Einfachheit
58.
Ist die Regierung kaum spürbar -
ist das Volk redlich und einfach
Ist die Regierung ehrgeizig -
ist das Volk verschlagen und falsch
Erfolg stützt sich auf
Elend - Erfolg birgt Elend in sich - wer kennt das Ende?
Recht
wird zu Unrecht - Ordnung zu Unordnung - und die Verwirrung wächst
Der Weise ist gerecht ohne zu richten
Er lenkt ohne zu
regeln
Er ist Vorbild ohne zu verbilden
Er leuchtet ohne zu
blenden
59.
Im Sorgen für andere - und im Dienste
des Himmels - ist nichts so wichtig wie die Mäßigung
Mäßigung bedeutet frühes Nachgeben - frühes
Nachgeben bedeutet Sammeln der Tugend
Mit gesammelter Tugend -
ist nichts unerreichbar
Ist nichts unerreichbar - gibt es keine
Grenzen
Gibt es keine Grenzen - ist das Reich regierbar
Im
Einklang mit dem Mütterlichen - kann der Staat bestehen und
gedeihen
Tiefe Wurzeln und ein fester Grund - bieten Sicherheit
und langes Leben - wenn der rechte Weg beachtet wird
60.
Ein großes Reich regieren ist - wie das Braten kleiner
Fische
Auf dem rechten Weg das Reich regieren - dann wird das
Böse keine Macht haben
Nicht, dass das Böse nicht
mächtig wäre - aber seine Macht wird niemand schaden
Nicht
nur wird sie niemandem schaden - auch die Herrscher schaden niemandem
Da die Tugend sie verbindet - tun beide keinen Schaden
61.
Ein großes Reich sollte bescheiden sein - um die Welt in
sich zu sammeln - wie die Mutter der Dinge
Denn das Weibliche
überwindet das Männliche durch Nachgiebigkeit
Stellt
sich ein großes Reich unter ein kleines Reich - so gewinnt er
das kleine Reich dazu
Stellt sich ein kleines Reich unter ein
großes Reich - so gewinnt es das große Reich dazu
Wer
siegen will muss sich beugen - Wer herrschen will muss dienen
Denn
die großen Reiche wollen einen und fördern - die kleinen
Reiche wollen beitreten und aufgehen
Um dies zu erreichen muss
das Große sich beugen
62.
Der rechte Weg ist
der Ursprung aller Dinge - den guten Menschen ein Schatz - den
schlechten Menschen ein Schutz
Schöne Worte können
Ansehen erkaufen - gute Taten können Achtung gewinnen -
schlechte Menschen soll man nicht aufgeben
So wird auch der
Herrscher gekrönt und die Regierung eingesetzt
Mag er auch
jene bevorzugen die ihren Reichtum zeigen oder ihm vorauseilen -
Besser ist es in Stille und Ruhe zu sitzen und dem rechten Weg zu
folgen
Was aber war der Grund von jeher das Tao zu verehren?
Die
Alten sagten: Wer sucht, der findet - wer seine Fehler erkennt dem
wird vergeben - Darum ist es der wahre Reichtum der Welt
63.
Tue
durch Nicht-Tun- wirke ohne Handeln - genieße ohne Reiz
Vergrößere das Kleine - mehre das Wenige -
Vergelte
Feindschaft mit Wohlwollen - Plane das Schwierige im Leichten
Erreiche das Große im Kleinen - Denn das Schwierige beginnt
im Leichten - das Große beginnt im Kleinen
Daher versucht
der Weise nichts Großes zu tun - und vollendet Großes
Doch wer viel verspricht - hält zumeist wenig
Wer viel
leicht nimmt - findet alles schwer
Der Weise hält alles für
schwer - und findet es leicht
64.
Ruhiges ist leicht
zu halten - Offenes ist leicht zu planen
Dünnes Eis ist
leicht zu schmelzen - feiner Staub leicht zu zerstreuen
Wirke auf
die Dinge - bevor sie erschienen sind - Ordne die Dinge bevor sie
verwirrt sind
Ein großer Baum - wächst aus einem
kleinen Spross
Ein großer Turm - entsteht aus einem
Häufchen Erde
Eine große Reise - beginnt mit dem
ersten Schritt
Wer handelt, verdirbt - wer festhält,
verliert
Weil der Weise nicht handelt - verdirbt er nichts
Weil
er nicht festhält - verliert er nichts
Die Menschen aber
handeln - und vor der Vollendung zerstören sie alles
Wären
sie am Ende so behutsam wie zu Beginn - bliebe es unzerstört
Der Weise wünscht wunschlos zu sein - schätzt keine
Schätze - erlernt das Vergessen
Achtet das Unbeachtete -
fördert alle Wesen in ihrer Natur ohne einzugreifen
65.
Die von jeher dem rechten Weg folgten - lehrten dem Volk keine
Klugheit - sie wollten, dass es einfach bleibe
Wenn das Volk
zuviel Klugheit anhäuft - ist es schwer zu regieren
Förderung
der Klugheit - führt zur Unordnung im Reich
Förderung
der Einfachheit - führt zur Ordnung im Reich
Diese beiden
Möglichkeiten gibt es - sie zu verstehen ist tiefe Tugend
Die
tiefe Tugend ist klar - und weit in der Aufhebung der Gegensätze-
führt sie zum großen Einklang
66.
Warum
führt das Meer die Ströme- die Ströme die Flüsse
- die Flüsse die Quellen?
Weil sie niedriger sind als jene
Um über das Volk erhaben zu sein - muss man sich darunter
stellen
Um dem Volk voran zu gehen - muss man sich dahinter
stellen
Der Weise ist erhaben - ohne das Volk zu bedrücken
- führend - ohne dem Volk zu schaden
So freut sich das Volk
ihm zu folgen - weil er sich nichts erstreitet - will niemand mit ihm
streiten
67.
Die Welt sagt das Tao ist groß -
aber unbegreiflich
Doch nur weil es groß ist - ist es
unbegreiflich
Könnte es begriffen werden - wäre es
bedeutungslos
Ich habe drei Schätze die ich hüte und
bewahre:
Der erste ist : Liebe
Der zweite ist : Genügsamkeit
Der dritte ist : Demut
Wer liebt - kann mutig sein
Wer
genügsam ist - kann großzügig sein
Wer demütig
ist - kann vorangehen
Wer mutig ist ohne Liebe - wer großzügig
ist ohne Genügsamkeit - wer vorangeht ohne Demut - geht ins
Verderben
Die Liebe ist siegreich im Angriff - unverwundbar in
der Verteidigung
Wen der Himmel behüten will - den schützt
er mit Liebe
68.
Ein guter Herrscher - braucht keine
Gewalt
Ein guter Krieger - kämpft ohne Zorn
Ein guter
Sieger - greift nicht an
Ein guter Anführer - hält
sich zurück
Das ist die Tugend der Friedfertigkeit - des
höchsten Umgangs mit Menschen - die höchste Einheit mit dem
Himmel - das höchste Ziel der Vorfahren
69.
Im
Kampf gilt das Sprichwort:
Besser angegriffen werden - als selber
anzugreifen
Besser einen Fuß zurück weichen - als
einen Zoll vorrücken
Vorangehen - ohne vorzugehen
Zurückhalten - ohne zu halten
Abwehren - ohne sich zu
wehren
Siegen - ohne Waffen zu gebrauchen
Kein größeres
Unheil als leichtfertig anzugreifen - wer leichtfertig angreift -
verliert leicht seine Schätze
Wo Waffen aufeinanderprallen
- siegt der Nachgebende
70.
Meine Worte - sind leicht
zu verstehen - leicht zu befolgen
Aber auf der Welt ist niemand
fähig sie zu verstehen - sie zu befolgen
Meine Worte haben
einen Ursprung - meine Taten haben eine Richtung
Weil sie diese
nicht verstehen - verstehen sie auch mich nicht
Die wenigen die
sie verstehen - werden mich schätzen
Der Weise trägt
außen grobe Kleider - innen kostbare Jade
71.
Wer
nicht weiß, dass er weiß - ist weise
Wer weiß,
daß er nicht weiß - ist leidend
Doch nur wer an
diesem Leiden leidet - leidet darum nicht
Der Weise leidet nicht
- weil er an diesem Leiden leidet - darum leidet er nicht
72.
Haben die Menschen keine Ehrfurcht - geschieht das Furchtbare
Achte ihre Häuser - achte ihre Arbeit
Nur wenn du sie
achtest - werden sie dich achten
Der Weise erkennt sich selbst -
aber zeigt sich nicht
Er achtet sich selbst - aber beachtet sich
nicht
Er läßt jenes - und hält sich an dieses
73.
Der Verwegene wird vergehen - der Besonnene
bleibt bestehen
Von diesen beiden ist einer im Nachteil - einer
im Vorteil
Wer kennt die Gründe des Himmels? - selbst der
Weise nicht
Des Himmels Weg ist - Überwindung ohne Streit -
Belohnung ohne Worte - Erscheinung ohne Ruf - Wirkung ohne Mühe
Des Himmels Netz ist endlos weit- weit sind die Maschen sind
geknüpft - und doch schlüpft nichts hindurch
74.
Wenn die Menschen den Tod nicht fürchten - was hilft es mit
dem Tod zu drohen?
Wenn die Menschen den Tod stets fürchten-
was hilft es den Verbrecher zu fassen und zu töten?
Der Tod
selbst ist oberster Vollstrecker
An seiner Stelle zu töten
- ist wie das Führen der Axt anstelle des Zimmermanns
Wer
die Axt führt - anstelle des Zimmermanns - bleibt selten
unverletzt
75.
Das Volk hungert - weil die Oberen
prassen - darum hungert das Volk
Das Volk ist ungehorsam - weil
die Oberen Gehorsam erpressen - darum ist das Volk ungehorsam
Das
Volk achtet das Leben gering - weil die Oberen nach dem Leben gieren
- darum achtet das Volk das Leben gering
Wer nicht an seinem
Leben hängt - ist würdiger als jener - der nach seinem
Leben giert
76.
Der Mensch tritt ins Leben weich und
zart - im Tode ist er hart und starr
Alle Wesen treten ins Leben
weich und zart - im Tode sind sie trocken und hart
Das Harte und
Starre ist das Zeichen des Todes - das Weiche und Schwache das
Zeichen des Lebens
Ist das Heer starr und stark wird es
untergehen - ist der Baum hart und stark - wird er gefällt
werden
Das Harte und Starke vergeht- das Weiche und Schwache
besteht
77.
Der Weg des Himmels - ist wie das Spannen
des Bogens:
Das Obere wird heruntergezogen - das Untere wird
emporgehoben
Das Gebogene wird gestreckt - das Gestreckte wird
gebogen
Des Himmels Weg ist die Fülle zu mindern - die
Leere zu füllen
Der Menschen Weg ist: - denen zu nehmen die
zuwenig haben - und denen zu geben die zuviel haben
Wer vermag
es genug zu haben - und allen zu geben? - nur jener der von Tao
erfüllt ist
Der Weise wirkt ohne Erwartung - wollendet sein
Werk ohne Anspruch - wunschlos und vortrefflich
78.
Nichts in der Welt - ist nachgiebiger und weicher als Wasser
doch nichts - ist besser um Hartes und Starkes zu überwinden
dank dem was es nicht ist - gelingt es ihm leicht
Das Weiche
überwindet das Harte - das Schwache überwindet das Starke
Obwohl jeder es weiß - handelt keiner danach
Der Weise
sagt:
Wer das Unheil auf sich nimmt - vermag das Land zu regieren
Wer das Unglück auf sich nimmt - vermag die Welt zu
regieren - oft klingt die Wahrheit widersinnig
79.
Nach
großem Streit - bleibt kleiner Streit
Wie das ändern?
Der Weise hält sich an seine Seite des Vertrags - und
erzwingt nicht die andere
Wer die rechte Tugend hat - erfüllt
seine Pflichten - und vergißt die Schuld
Wem die rechte
Tugend fehlt - fordert ein und pocht auf Schuld
Aber der Weg des
Himmels ist gerecht - er wirkt durch den guten Menschen
80.
Klein sei das Reich- wenige das Volk - die Güter reich - der
Verbrauch gering - das Leben wertvoll - die Reisen kurz
Boote und
Wagen werden nicht gebraucht - Rüstung und Waffen werden nicht
verwendet - Schnüre geknotet - statt zu schreiben
Die
Speisen schmackhaft - die Kleidung passend - die Wohnung friedlich -
die Gebräuche freudig
Die Nachbarn in der Nähe - dass
Hunde und Hähne zu hören sind - ohne Besuch - in Frieden
das Leben zu beschließen
81.
Wahres Wort ist
nicht schön - schönes Wort ist nicht wahr
Wer Weisheit
hat streitet nicht - wer streitet hat Weisheit nicht
Wer Weisheit
hatsucht kein Wissen - wer Wissen sucht hat nicht Weisheit
Der
Weise häuft keine Habe und hat doch - Je mehr er anderen gibt -
desto mehr fließt ihm zu
Je größer sein Opfer
desto größer sein Selbst=Besitz
Das ist des Himmels
Wesen -Fördern ohne zu fordern; das ist des Weisen Wesen -
Wirken ohne tun

Aus dem Chinesischen von Bodo Kirchner, K. O. Schmidt und Richard Wilhelm